Da ich im nördlichen Waldviertel geboren bin, kenne ich den Stausee Ottenstein seit meiner Kindheit und verbringe mit meiner Familie immer wieder gerne einen Teil meiner Freizeit an diesem wunderschönen See. Nachdem meine Gattin Ilka und ich an einem Wochenende im Mai 2003 von einem Tretbootausflug auf den Stausee, bei dem uns einige Kanufahrer mit Leichtigkeit überholt hatten, vollkommen erledigt und verkrampft nach Hause gekommen waren, beschlossen wir noch an diesem Abend uns ebenfalls einen Kanadier zu kaufen. Sofort durchsuchte ich das Internet nach einem preisgünstigen Boot. Ich wollte schon aufgeben, als ich auf die Homepage der Fa. Aumayr in Braunau am Inn stieß. Dort fand ich den "Discovery 147" der Fa. „Old Town“ in Maine, USA. Das Boot sagte uns sowohl optisch als auch preislich zu und am 30.05.2003 fuhren wir nach Braunau. Erst nach längerer Suche und einem Telefonat mit Herrn Aumayr fanden wir dort das Geschäft. Doch welche Enttäuschung, der "Discovery 147" war nicht lagernd. Sollte die weite Fahrt von insgesamt über 600 Km umsonst gewesen sein? Herr Aumayr, ein sehr lustiger und lebhafter Mann, empfahl uns den "Discovery 158", ein etwas längeres und schmäleres Wander- und Tourenboot das außerdem auch für Fahrten in leichtem Wildwasser geeignet sei. Er erklärte uns, dass dieses Boot auch wesentlich  schneller sei als der "Discovery 147" und mit sehr viel weniger Kraftaufwand gepaddelt werden könne. Dabei fielen Fachausdrücke wie "Kielsprung", "Grundstabilität" und "Endstabilität". Ich verstand zwar kein Wort, nickte aber immer wieder zustimmend und versuchte, mir meine Unerfahrenheit nicht allzusehr anmerken zu lassen. Das Boot gefiel uns sofort und da auch der Preis unseren Vorstellungen entsprach, lag es eine halbe Stunde später auf dem Autodach.
Nachdem wir noch die passenden Paddel und ein zusammenklappbares Transportwagerl erstanden hatten, das man auch problemlos im Kanu mitnehmen kann, hieß es: "Nichts wie nach Hause!".
Daheim angekommen studierten wir sofort gemeinsam das ebenfalls erstandene Kanadierlehrbuch, um uns zumindest in der Theorie mit den wichtigsten Paddelschlägen und Manövern vertraut zu machen.

Am nächsten Tag gegen 09.00 Uhr fuhren wir los in Richtung Stausee Ottenstein. Da wir bisher nur von der Bootsvermietung aus zum See gekommen waren, mussten wir uns erst eine Stelle suchen an der wir das Kanu ins Wasser bringen konnten. Nach längerem Suchen fanden wir eine uns geeignet scheinende Seezufahrt. Wie sich später herausstellen sollte, war es die falsche. Nun ging es ans Abladen. Das erste Unglück! Ich drehte das Boot zu schnell und es knallte voll gegen den Kopf von Ilka. Nach einigen Kosenamen ihrerseits an meine Adresse luden wir den Kanadier auf das Transportwagerl und es ging los. Welch eine böse Überraschung, das Ufer wurde immer steiler und nur mit vereinten Kräften gelang es uns bis zum Wasser zu kommen. Es war uns klar, dass wir uns zum Ausbooten eine flachere Stelle suchen mussten.

Aber nun erst einmal hinein ins Vergnügen. Mit gemischten Gefühlen stiegen wir ein. Die Geschichte kam uns doch äußerst wackelig vor. Hatten wir das Kanu vielleicht zu voreilig gekauft und war diese Freizeitbeschäftigung nichts für uns? Nach einigen Minuten, in denen wir beide zuviel Kraft einsetzten und auch viel zu schnell paddelten, fanden wir schließlich unseren Rhythmus. Die Sache begann uns Spaß zu machen, besonders als wir voll Stolz die ersten Tret- und Ruderboote überholten ohne uns dabei besonders anstrengen zu müssen. Wir fuhren den ganzen uns bekannten Teil des Stausees ab. Wer das einmal erlebt hat, weiß warum dieser See auch "Skandinavien des Waldviertels" genannt wird. Die weit verzweigten Arme und Buchten mit den dicht bewaldeten Ufern erinnern tatsächlich an Fjorde im hohen Norden Europas.
An einer uns von unseren Tretbootausflügen bekannten Landzunge
legten wir an, holten unseren Proviant aus der Kühltasche und stärkten uns bei einer kurzen Rast nach den Anstrengungen der ersten Kilometer, die wir überraschend gut bewältigt hatten. Danach gab es ein erfrischendes Bad im 21o C warmen (kalten?) See.  

Anschließend paddelten wir noch einige Buchten ab und fuhren dann zu einer Insel, die bei Niedrigwasser eigentlich nur eine Halbinsel ist und die uns von früheren Bootsfahrten als Treffpunkt von Kanadierfahrern bekannt war. Doch außer einigen nackten Badegästen war niemand da. Wir wurden aber sofort von einem jüngeren Pärchen angesprochen, das sich für unser Boot interessierte. Wir erzählten ihnen von der Fa. Aumayr und sie versicherten, dass sie sich dort auch ein Kanu kaufen würden. Wir haben sie übrigens einige Tage später tatsächlich mit einem neuen "Old Town"- Kanadier auf dem See wieder getroffen.
Während unseres Gespräches bekam Ilka sogar einen Kaffee aus der Thermoskanne angeboten. Die Beiden verrieten uns, dass sich eine Fahrt bis zum Ende des Sees zur Einmündung des Kamp bei Zwettl lohnen würde. Man könne ihn ca. 12 Kilometer weit befahren und es sei wirklich ein Erlebnis. Sie hätten die Fahrt bereits selbst mit einem gemieteten Kanu gemacht und seien begeistert gewesen.

Kurz danach verabschiedeten wir uns und paddelten zurück. Eine flache Stelle zum Ausbooten war bald gefunden und wir zogen den Kanadier auf den Sandstrand. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Wir waren mehr als sechs Stunden unterwegs gewesen. Doch nun stand mir ein längerer Fußmarsch  bevor, denn ich musste das Auto von unserem ursprünglichen Parkplatz holen. Der Weg kam mir endlos vor, aber schließlich war ich doch bei unserem Wagen und fuhr damit zurück zu der Bucht in der Ilka mit dem Boot auf mich wartete. Ich konnte fast bis zum Wasser fahren, sodass wir das Transportwagerl nicht brauchten. Ilka hatte nach ihrer bösen Erfahrung beim Abladen etwas Bedenken, doch problemlos lag das Kanu nach ca. 10 Minuten verzurrt auf dem Autodach und wir verließen müde aber glücklich den See. Nach einer halben Stunde zittern, weil der Tank fast leer war, kamen wir nach Mold und konnten dort tanken.

Nachdem das Treibstoffproblem gelöst war, gingen wir in ein Gasthaus neben der Tankstelle und aßen dort im Gastgarten zu Abend. Unser Gespräch drehte sich dabei fast ausschließlich um die erste Ausfahrt mit unserem neuen Boot. Ilka stellte fest, dass sie sich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt hatte. Die Kanuausfahrt hatte auch ihr riesigen Spaß gemacht, obwohl ihr Paddel etwas zu lang war und wir daher vor der nächsten Ausfahrt ein kürzeres für sie kaufen werden.

Wir sind beide überzeugt, dass uns der Kanusport wohl nicht mehr loslassen wird. Ich habe jedenfalls bereits begonnen das Internet nach interessanten Strecken zu durchsuchen, die nicht zu schwierig sind.
Vorerst haben wir beschlossen, dass wir bei unserer nächsten Ausfahrt die Route ausprobieren, die uns das junge Pärchen empfohlen hat.